Das Dunkel

Eine Welt voller Nichts. Dunkelheit umgibt mich, umschliesst mich. Sie schleicht sich in meine Seele, nagt an mir und frisst mich auf – tritt auf mich ein. Ohne Schall und Rauch nistet sie sich in mir ein. Ich falle immer tiefer und tiefer. Tausende Kreise wenden sich bis ins Unendliche. Alleingelassen. In einem Meer voller Menschen hört mich niemand, sieht mich niemand. Ich schreie, doch die Laute verstummen ungehört im unendlichen Nichts, welches doch gefüllt ist mit eintausend Stimmen. In der grenzenlosen Weite, die dröhnt und hallt.

Ich weine, doch niemand sieht meine Tränen. Selbst wenn ich es wollte, bemerkte niemand meine Trauer. Es ist ihnen egal. Lieber verstecke ich sie und zeige sie niemandem! Denn Stärke kennt keine Verletzlichkeit, kennt keine Trauer. Wie Maschinen stehen wir in Reih und Glied, kein Muskel zuckend. Die Gesichter ohne Ausdruck, nur versteinerte Mienen, starrend ins Nichts. Kalt und unberührt kreisen wir dieselben Runden. Alle wollen wir – einer wie der andere – in diesem System getrimmt sein. Wer anders ist, versagt. Still und starr. Doch in mir bebt es. Meine Schreie wollen gehört werden. Nicht vom Dunkel verschluckt, welches mich bedrängt, das mich in Besitz nimmt. Es kontrolliert mich, ist immer bei mir, bei jedem Schritt. Ich will nur noch nach Hause, will einfach angekommen sein.

Und auf einmal sehe ich dich. Du trittst aus dem Dunkel hervor, zerreisst die nebelnen Vorhänge in meinem Kopf, die mich abschirmen vor der Welt. Zerschlägst die Fesseln die mich zwingen stillzustehen und reisst die Mauern ein, die ich um mich aufgebaut habe – stampfst sie nieder. Jetzt siehst und hörst du mich, nicht mehr versteckt hinter diesem Schutzwall und nicht mehr eingekerkert durch mich selbst und das Dunkel. Genauso lässt auch du mich dich sehen und fühlen.

Schon so lange schwimmen wir dieselben Bahnen, rennen dieselben Kreise. Sind Tagträumer und nächtliche Denker. Durch dich lasse ich sie frei, die Dunkelheit, das Dunkel in mir. Du berührst meine Seele wie das noch keiner vor dir getan hat. Genau im richtigen Moment öffnetest du mir den Vorhang zur Welt, zu all den Farben und Klängen. Das Dunkel schwindet mit jedem Atemzug, der meine Lungen erfüllt. Denn du siehst es auch, das Dunkel, wo andere nur eine strahlende Fassade vermuten und gar nicht richtig hinsehen. Du gibst mir Halt, bist das Fundament für das Haus, das ich erst noch zu bauen gedenke. Du gibst mir ein Zuhause in deinem Herzen und genauso hast du eines in meinem. Das Dunkel lebt in jedem von uns weiter, doch du hast mir geholfen, Herr über meines zu sein. Danke für alles, was du für mich bist. Ich bin zuhause. Ich bin angekommen.

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